Die Straße. Im Rhythmus der Arbeiter*innenschaft2020

10 photos, 6 flags, 1 video, 1 interview booklet

Anlässlich des 100. Geburtstags der Arbeiterkammer setzt sich Christina Werner in ihrem Projekt für die AK mit der Geschichte der Arbeiter*innenschaft in Wien auseinander. Am Anfang jedes Projektes der Künstlerin steht eine intensive Recherche, die sich in diesem Fall auf die Orte der Industrialisierung (Wienerberg), die Wohnbauten des Roten Wiens der Zwischenkriegszeit (Reumannhof) und die Schauplätze der Aufmärsche und Demonstrationen anlässlich des 1. Mai (Rathaus) bezog. Ebenfalls im Blickpunkt des Interesses der Künstlerin stand die Politik der sozialdemokratischen Bewegung und die Körper und Gesten der Arbeiter*innen, die durch ihre Auftritte im öffentlichen Raum ein sichtbares Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit und ihrer politischen Agitation setzten.

Christina Werner inszenierte an zentralen Orten des gesellschaftlichen Handelns, der ehemaligen Fabrik, dem Gemeindebau oder dem Rathaus als Ort der Repräsentation, kollektive Aufführungen. In den Gesten und Zeichen des Widerstands und der Zusammengehörigkeit der Performer*innen etabliert sich ein gemeinschaftlicher Körper. Die Fotografien, die anlässlich dieser Aktionen entstanden sind, bringt sie wieder in den Ausstellungsraum bzw. dem Wartesaal der Arbeiterkammer zurück und schließt sie so mit der heutigen Arbeiter*innen zusammen. Beim Videodreh für eine Performance werden die Akteur*innen vor der Arbeiterkammer gefilmt und finden ebenfalls Eingang in den Raum der Repräsentation. Im Raum selbst nehmen mit Siebdruck bearbeitete weiße Fahnen Bezug auf die Planung und Aufführungspraktiken der Aufmärsche des Roten Wiens.

Die Stadt, die Körper und die Geschichte einer Bewegung werden in dem Projekt auf überzeugende Weise enggeführt und miteinander verzahnt. Die einzelnen Elemente ihrer Arbeit, die da wären Fotografie, Performance, Video und Versatzstücke der politischen Agitation wie Fahnen, rekurrieren auf eine Zeit des Aufbruchs und der Etablierung eines neuen politischen Selbstbewusstseins der Arbeiter*innenschaft, bündeln diese Energien und überführen sie in einer kollektiven Wiederaufführung in die Gegenwart und zu aktuellen Fragestellungen. Wem gehört der öffentliche Raum, wofür lohnt es sich, diesen Ort zu besetzen, und wie kann Gemeinschaft heute gelebt werden?

In einem „Denken der Spur“ (Edouard Glissant) begab sich Christina Werner auf eine Suche nach sichtbaren Zeichen von Aufbruch und Bewegung und setzte gleichzeitig die Beteiligten ihrer Performances in Bewegung und somit in Verbindung und in den Zustand eines aktiven Erinnerns in der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Arbeiter*innenschaft und gegenwärtigen Demonstrationsformen.

Hemma Schmutz

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